Digitalisierung

DIGITALISIERUNG

Wie kann Europa im Wettbewerb um das Internet der Zukunft zum Vorreiter werden?

Das Problem

Während des Corona-Lockdowns haben sich digitale Lösungen als Rettungsanker bewährt. Dank Videokonferenzen konnte der Kommunikationsfluss weiter fließen; klimaschädliche Geschäftsreisen wurden vermieden. Einzelhändler, die ihr Angebot auch im Internet anbieten konnten, verhinderten einen Totalverlust. Die Wucht digitaler Transformation erschüttert zugleich etablierte Geschäftsmodelle.

T

echnologieangst kann jedoch nicht die alleinige Erklärung dafür sein, dass die digitale Zukunft von nicht-europäischen Konzernen dominiert wird. Erwähnt seien an dieser Stelle vier offensichtliche Defizite, auch wenn diese in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten unterschiedlich stark ausgeprägt sein können:

  • IKT-Pioniere suchen in Europa häufig vergeblich nach Frühphasenfinanzierung.
  • Öffentliche Investitionen in die IKT-Infrastruktur wurden jahrelang vernachlässigt und verzögern damit den technischen Fortschritt.
  • Programmieren gehört auch unter der jüngeren Generation noch immer nicht zu den Kulturtechniken wie Lesen und Schreiben. In einer älter werdenden Gesellschaft droht vielen Menschen der Ausschluss von digitalen Arbeitsplätzen.
  • Um im internationalen Wettbewerb zu bestehen, fehlt es an europäischen Digitalkonzernen, die über eine kritische Masse an Einfluß verfügen, um neue Standards zu setzen.

Zu den Errungenschaften einer europäischen Digitalstrategie zählt sicher die Datenschutzgrundverordnung. Für die wirksame Bekämpfung von Hassbotschaften, Fake News und Cyberkriminalität bedarf es vergleichbarer EU-Reglungen. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass in Zukunft nicht-europäische Staaten vermehrt in die Freiheit des Internets eingreifen werden. Um angemessen auf einen solchen digitalen Protektionismus reagieren zu können, bedarf es eines ganzheitlichen Instrumentariums, dessen Anwendung von allen Mitgliedsstaaten unterstützt werden muss.

Die Vision

In Ergänzung zu der Digitalen Agenda für Europa sollte die EU ambitionierte Zukunftsprojekte fördern, um so zum globalen Vorreiter des digitalen Wandels zu werden und eine ausreichende Schlagkraft gegen internationale Wettbewerber entfalten zu können:

Die EU sollte die Ausgründung von IKT-Start-ups aus europäischen Forschungseinrichtungen mit einem bis zu 90% geförderten Startkapital unterstützen, wenn diese mindestens zwei Unternehmen aus unterschiedlichen EU-Staaten als Wirtschaftspartner nachweisen können.

Die EU sollte die Entwicklung einer innovativen und leistungsstarken europäischen Such- und Findemaschine als echte Alternative zu dem Quasimonopolisten Google fördern. Das Gleiche gilt für ein soziales Netzwerk. Beide könnten mit Verweis auf europäische Datenschutzrichtlinien und dem Einsatz intelligenter Tools zur Identifikation und Löschung von Fake News sowie Hassbotschaften inklusive der vereinfachten Einleitung von Strafmaßnahmen gegen Trolle weltweit einen neuen Standard setzen.

Im Kampf um den 5G-Standard sind überwiegend nicht-europäische Technologieanbieter als Sieger hervorgegangen. Für Europa besteht jedoch noch die Chance, Vorreiter für das kommende Netz der Zukunft zu werden. So forschen einige wenige europäische Wissenschaftler an einem 6G-Standard, der 1.000 Mal schneller als 5G sein soll. Dieser soll aber frühestens 2037 zur Verfügung stehen. Was wäre, wenn die europäischen Staaten ihre F&E-Kompetenzen bündeln würden, um eine Lösung bereits bis zum Ende dieses Jahrzehntes anbieten zu können? Vergleichbare Turbo-Initiativen könnten sich in der Förderung von KI und Robotik ergeben, wenn europäische Experten Doppelarbeiten vermeiden, ihre Kompetenzen in gezielt geförderten Joint Ventures bündeln und keine Zeit für die mühsame Suche nach Investoren verlieren müßten.

Zur Förderung der Digitalkompetenzen wie auch der Schaffung neuer Arbeitsplätze könnte die EU die Entwicklung modularer Computer zum Selberbauen als Alternative zu den ausländischen Hardwareanbietern unterstützen.

Entscheidend ist

dass sich Europa mit mutigen Visionen als Zentrum für Technologietransfer positioniert und damit klugen Köpfen aus der ganzen Welt eine neue Heimat bieten. Dazu muss man nicht unbedingt auf den Mond fliegen, auf der Erde gibt es genügend Herausforderungen.

Die Umsetzung

Um die Angst vor digitalen Veränderungen in der europäischen Bevölkerung abzubauen, müssen genügend Möglichkeiten der Teilhabe durch Aus- und Weiterbildung in allen Altersklassen angeboten werden.

Die EU sollte sich darauf vorbereiten, dass die eigenen Aktivitäten zu Gegenreaktionen internationaler Wettbewerber führen werden. Darüber hinaus verfügen Cyberkriminelle fast immer über einen technischen Vorsprung. Diese Herausforderung erfordert eine gemeinschaftliche Herangehensweise.

Darüber hinaus sollte auch das Risiko einer virtuellen Pandemie nicht unterschätzt werden. Je abhängiger wir von digitalen Lösungen werden, desto größer das Risiko eines Blackouts. Dieses Problem betrifft alle Staaten dieser Welt. Die EU könnte in erfolgskritischen Bereichen über die Aufrechterhaltung analoger Betriebsersatzlösungen parallel zu digitalen Innovationen nachdenken.