Flüchtlingskrise

FLÜCHTLINGSKRISE

Wie kann Europa eine humanere Flüchtlingspolitik gestalten und den betroffenen Menschen eine Zukunftsperspektive bieten?

Das Problem

Es gibt kein europäisches Land, aus dem in der Vergangenheit nicht selber schon einmal Menschen als Folge von Krieg, Ernteausfällen nach einer Dürre oder wegen politischer bzw. religiöser Verfolgung geflohen sind. Gegen besseres Wissen werden Geflüchtete aber nicht nach Ihrem Mehrwert bewertet, den sie einer älter werdenden Gesellschaft oder einer Wirtschaft mit fehlenden Facharbeitern bringen können, sondern nach Kosten- und Risikofaktoren.

D

ie Form der jetzigen Kooperation mit autokratischen Staaten wie der Türkei erzeugt Abhängigkeiten, die das Flüchtlingsproblem weiter verstärken. Und auch die von der EU geplanten „Rückführungs-Patenschaften“ als Teil des aktuellen Migrations-Paktes werden nicht funktionieren. Menschen, die nach einem Bürgerkrieg oder den Folgen des Klimawandels nichts zu verlieren haben, werden sich auch in Zukunft in die Hände von Schleuserbanden begehen.

Wir verschließen uns zudem vor der Tatsache, dass die meisten europäischen Familien eine eigene Flüchtlingsgeschichte besitzen und dass Europa insbesondere gegenüber Afrika eine historische Verantwortung trägt. Erst durch das Auftreten der Black Lives Matter Bewegung und der verstärkten Diskussion über Alltagsrassismus wurden wir auf schmerzhafte Weise daran erinnert, dass wir alle in einer besonderen Verpflichtung stehen, die Fehler der Vergangenheit nachhaltig zu lösen. Die Ursache für die ungelöste Flüchtlingsproblematik liegt somit nicht allein im Können sondern im Wollen.

Die Vision

Kaum ein Mensch verläßt freiwillig seine Heimat, wenn er dies nicht absolut muss. Daher beginnt die Suche nach einer alternativen Lösung in der Schaffung von Schutzräumen für Geflüchtete in sicherer Nähe zu ihrer ursprünglichen Heimat. Denn die Rückkehr in ihr Zuhause ist und bleibt die höchste Motivation für die betroffenen Familien. Die EU könnte hierzu in grenznahen Landstreifen, die für die Geflüchteten leicht zu erreichen wäre, Flüchtlingsunterkünfte errichten.

Unter dem Schutz von UN-Blauhelmen könnten dann Flüchtlingsgemeinden als temporäre, sichere Gebiete entstehen. Die Errichtung der Häuser und der lebensnotwendigen Infrastruktur wie auch der Betrieb von Gesundheits- und Bildungseinrichtungen könnte durch die Kooperation lokaler und europäischer Unternehmen erfolgen. Entscheidend ist: Sobald sich das Ende eines Konfliktes abzeichnet, können die Menschen in ihre ursprüngliche Heimat schneller zurückkehren.

Im Gegensatz zu den bereits heute existierenden Flüchtlingscamps, die vergessen im Nirgendwo sind, würde durch europäische Patenschaften wirtschaftliche Wachstumschancen entstehen. Vor allem würden damit die Geflüchteten als Hauptbetroffene eine echte Alternative zu einer gefahrvollen Flucht erhalten.

Die Umsetzung

Hierzu müßte ein sicheres Gebiet ausgewählt werden, welches über eine Basis-Infrastruktur und ausreichende Entwicklungsmöglichkeiten verfügt. Es ist vollkommen klar, dass eine solches Großprojekt unterschiedliche zeitliche Perspektiven beinhaltet: von der akuten Soforthilfe vor Ort bis zum Ausbau.

Während ihres Aufenthaltes ist es wichtig, dass die Menschen entsprechend ihrer Fähigkeiten vom ersten Tag an aktiv in den Aufbau einer solchen Flüchtlingsgemeinde eingebunden werden. Die Ausbildung zu Handwerkern oder anderen benötigten Berufen schafft eine sinnerfüllte Perspektive. Langfristiges Ziel muss es sein, dass sich die Gemeinden zunehmend autark versorgen können.

Darüber hinaus

könnten die europäischen Staaten einzelnen Menschen z.B. gezielt für den Einsatz als Entwicklungshelfer auswählen. Dies würde eine zusätzliche berufliche Chance bieten, für die es immer einen Bedarf gibt und sich teilweise nur schwer Fachpersonal finden lässt. Wer sich als Facharbeiter sprachlich fortbildet, kann auch einen Antrag auf eine Blue Card für die EU stellen. Zertifizierte Unternehmen übernehmen dazu die Patenschaft mit allen dafür notwendigen Verpflichtungen, was die Integration erleichtern wird. Menschen, die diesen Weg in die EU wählen, sollen bei einem Visum gegenüber denjenigen bevorzugt werden, die über Schleuser illegal in die EU flüchten wollen. Damit würde auch das Geschäftsmodell der Schleuser an Bedeutung verlieren.

All diese Maßnahmen müssen so ausgeführt werden, dass die Flüchtlinge ein würdevolles Leben erhalten, in dem sie einzelne kommunalpolitische Entscheidungen auch mitentscheiden können. Die UN kann für den notwendigen Schutz sorgen und unter den Geflüchteten weiteres Sicherheitspersonal rekrutieren; sie sollte dies aber immer auf Augenhöhe mit den Geflüchteten tun. All dies ist die beste Voraussetzung, um die Eigeninitiative der Menschen sinnvoll zu fördern.

Sollte sich die Übernahme von Patenschaften bewähren, könnten sich bald auch andere Staaten vor Ort engagieren. Ein solcher Wettbewerb der Unterstützung mag neue Herausforderungen schaffen; er ist verglichen mit der jetzigen Flüchtlingssituation jedoch einfacher zu managen.

F

ür die Erstellung eines sicheren Gebietes in den Krisengebieten und einer Tandemlösung mit den europäischen Flüchtlingslagern existieren eine Reihe weiterer konzeptioneller Ideen, deren Umfang an dieser Stelle aber den Rahmen sprengen würden.

Diese werden bei Interesse in einem persönlichen Gespräch erläutert. Mit ihnen kann den Geflüchteten gezielt geholfen und der jahrelangen Perspektivlosigkeit entgegengewirkt werden.